Offiziere hinter Stacheldraht

Im Agrarmuseum Breesen ist nebenstehendes Bild zu sehen. Es zeigt ein Gefangenlager, in dem von 1917 bis 1919 Offiziere der portugiesischen Armee inhaftiert waren. Ein ABM-Projekt der Gemeinde Roggendorf und eben dieses Bild von A. Woth führten jetzt auf die Spur des Lagers.

Jos‘e Antonio Goncalves Granja sah gelangweilt aus dem Fenster des Waggons. Schon wieder hielt der Zug auf einem kleinen Bahnhof. "Ratzeburg" las er auf der Emailletafel. Der preußische Feldwebel mit grauem Schnauzbart rief auf Deutsch in den Wagen: "Die Herren Offiziere werden gebeten, auszusteigen!" Granja, Leutnant der portugiesischen Frankreich-Armee, betrat mit 20 anderen portugiesischen Offizieren den Bahnsteig. In der Hitze des Sommers 1917 wirkte alles still und friedlich. Granja freute sich sogar, dass er die Schrecken der Frankreich-Front hinter sich hatte.

Der preußische Feldwebel übergab die portugiesischen Gefangenen an einen Trupp mecklenburgischer Soldaten. Einer von ihnen, Hilfslehrer aus Gadebusch, sprach französisch, das auch einige Portugiesen beherrschten. Er erklärte, dass man jetzt in eine andere Bahn umsteigen müsse. Das werde aber etwas dauern, denn mangels Kohle müsste die Lokomotive mit Holz geheizt werden und könne daher nur langsam fahren. Mit der Ratzeburger Kleinbahn zuckelten die Gefangenen über Ziethen und Mustin nach Osten. Endstation war der Bahnhof Klein Thurow. Gleich neben dem Bahnhof stand an der Allee ein buntes Wappenschild "Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin".
Hier verlief damals die Landesgrenze zwischen dem preußischen Herzogtum Lauenburg und dem Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin. Gleich hinter dieser Grenze erblickte Leutnant Granja ein umzäuntes Barackenlager. Er war also angekommen in diesem einsamen Lager am Breesener Moor. Vor wenigen Monaten erst hatte Portugals Armee ihn einberufen, im Schnellkursus zum Offizier ausgebildet und an den portugiesischen Frontabschnitt in Nordfrankreich geschickt. Wochenlang lag er mit seinen Kameraden im Schützengraben. Tagelang deutsches Trommelfeuer.
Immer wieder wechselten Vorstoß und Gegenstoß.
Und dann war er von den Deutschen gefangen genommen worden. In einem deutschen Lazarett wurde seine Schussverletzung kuriert, und dann brachten ihn die Deutschen per Bahn in dieses einsame Lager.

Ein deutscher Major erschien, schon längst ergraut, und begrüßte freundlich die neuen Gefangenen, auch in fließendem Französisch. Beim Antreten stieg Leutnant Granja schon der Geruch von gekochten Steckrüben in die Nase. Es war wohl das deutsche Nationalgericht, dachte Granja. Wie sehnte er sich nach einem portugiesischen Essen! Bacalhau (Stockfisch) oder Caldo Verde (Suppe)! Aber vor ihm lagen fast zwei Jahre mit mecklenburgischen Steckrüben. Die Behandlung durch die Deutschen war ordentlich, aber ihr Essen? Wahrscheinlich hatten sie im vierten Kriegsjahr nichts besseres, dachte Granja.

"Niemand muss arbeiten", las der Major aus der Haager Landkriegsordnung vor, "wer freiwillig arbeiten will, kann sich melden. Bitte rücken Sie in ihr Quartier ein. "

So könnte sie gewesen sein, die Ankunft der portugiesischen Offiziere im Gefangenen-Lager Breesen.

 

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