Auf den Spuren der Portugiesen
Portugiesisches Gefangenenlager bei Breesen / Ideen für eine Stätte der Erinnerung
Nach dem Rücktransport der 278 gefangenen Portugiesen aus dem Offiziers-Gefangenenlager Breesen im März 1919 stand das Lager leer. Bald darauf wurde es abgerissen. Das Gelände ist heute Grünland. Es ist Eigentum der Landes-Forstverwaltung.

Zu sehen ist heute noch das alte Bahnhofsgebäude der Ratzeburger Kleinbahn, nur wenige Meter neben der Stätte des ehemaligen Lagers. Es ist das letzte Gebäude von Breesen-Chaussee, rechts in Richtung Ratzeburg. Es ist seit langem ein Wohnhaus. Die Bahn gibt es seit 1932 nicht mehr. Die private Aktiengesellschaft meldete 1928 den Konkurs an. 1932 wurden die Gleise demontiert, Wagen und Loks verschrottet.

Zwischen dem alten Bahnhof und dem Gefangenenlager verlief damals die Landesgrenze. Westlich davon war das Herzogtum Lauenburg, östlich das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, seit 1919 Freistaat. Genau an der alten Grenze wechseln die Alleebäume: auf mecklenburgischer Seite stehen

Kastanien, auf lauenburgischer Seite Linden. Achten Sie einmal darauf, wenn Sie die B 208 befahren! Die Landesherren, die bevorzugte Kastanien, der dänische König (zugleich Herzog von Lauenburg) liebte Linden. Der Autofahrer erschrickt heute noch, wenn ihm im Herbst die großherzoglichen Kastanien aufs Autodach schlagen!
Die Landesgrenze wurde im November 1945 um fünf Kilometer nach Westen verlegt. Mit dem Barber-Lyaschenko-Abkommen tauschten die britische und die sowjetische Besatzungsmacht einige Dörfer aus. Dechow, Groß und Klein Thurow, Lassahn, Stintenburg, Techin und Bernstorff kamen zu Mecklenburg, während Bäk, Mechow, Römnitz und Ziethen dem Kreis Herzogtum Lauenburg zugeteilt wurden.
Auf die Spur des Lagers Breesen machte sich schon im Herbst 1920 der portugiesische Schriftsteller Aquilino Ribeiro (1885 – 1963). er hatte 1913 in Schwerin Grete Tiedemann aus Parchim geheiratet. Nach dem I. Weltkrieg besuchte er erneut die Heimat seiner Frau, um für sie eine Erbschaft zu regeln.
Portugiesischer Soldat
Zum Zeitpunkt seiner Reise gab es das Lager Breesen schon nicht mehr. Ribeiro spürte aber in Parchim einen Unteroffizier der mecklenburgischen Bewachung auf und befragte ihn. Bei Parchim fand Ribeiro noch ein anderes Gefangenenlager vor. Es war mit tausenden russischen Gefangenen belegt - keine Offiziere, sondern Mannschaften. Betroffen war Ribeiro, dass dieses Lager noch zweieinhalb Jahre nach dem Friedensvertrag zwischen Deutschland und Russland ( 3. 3. 1918 in Brest-Litowsk) voll belegt war. Hier waren die Haftbedingungen der Gefangenen auch weit schlechter als in Breesen.

Ribeiro, der Deutschland sehr schätzte, sah schon damals den Zweiten Weltkrieg voraus. Aus dem "blinden Stolz der Deutschen" und dem "ungeheueren Mangel an Vernunft der Briten und Franzosen" würde bald ein neuer Krieg entstehen, schrieb er 1920 in sein Tagebuch.

Immer wieder bemühten sich portugiesische Offiziere, die Stätte ihrer Gefangenschaft noch einmal aufzusuchen. Portugals Diktator Salazar verbot solche Bemühungen. Seiner Meinung nach war die Erinnerung an die Gefangenschaft portugiesischer Soldaten nicht gut für die Moral der Armee. Statt dessen wurden in vielen Städten Portugals, in Frankreich und in Belgien Denkmäler für die portugiesischen Gefallenen errichtet.

Private Kontakte führten immer wieder in die Irre. Denn nach 1945 erschwerte die Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten die Suche. Einige Veteranen waren in den Sechziger Jahren bis Ratzeburg gekommen, aber dort wusste niemand etwas von "Breesen". Woher auch - denn Breesen lag jenseits der Grenze in der DDR. Die DDR-Organe beantworteten keine Anfragen und Einreiseanträge. In der Nähe der "Staatsgrenze West" wollte man keine Besucher - schon gar nicht pensionierte Offiziere eines NATO-Landes.

Nach der Wende suchten einige junge Leute das Gelände bei Breesen mit Metallsonden ab.

Sie fanden nur ein paar rostige Uniformknöpfe und Nägel.

So ist das Bild im Agrarmuseum Breesen das einzige Überbleibsel des portugiesischen Offiziers-Lagers. Das Bild wurde von der Breesener Familie Schmeling über die Zeiten gerettet und nach der Wende an Siegfried Krüger für das Museum übergeben.

Inzwischen interessieren sich auch portugiesische Stellen für das "wieder entdeckte" Lager. Immerhin spielte sich hier einst ein Stückchen Weltgeschichte ab. Sollte man nicht an der B 208 bei Breesen an diese Stätte erinnern? Gerade in einem zusammen wachsenden Europa darf nicht vergessen werden, wohin Verblendung und Hass einst geführt haben - selbst zwischen weit entfernten Staaten wie Deutschland und Portugal.


 

Mit freundlicher Genehmigung Quelle: Andreas Lausen
Zur Person:

Andreas Lausen ist Leiter des Amtes
Gadebusch-Land und gehört dem Vorstand der Deutsch-Portugiesischen Gesellschaft an. Über das Lager und die historischen Hintergründe berichtete er in 6 Folgen der SVZ. Besonderer Dank für Unterstützung und Information gilt: Siegfried Krüger, Bauernmuseum Breesen; Brunhilde Schubert, Roggendorf; Hans Burmeister, Breesen; Robert Paeplow, Arbeitsamt Gadebusch; Anibal Aquilino; Fritz Tiedemann Ribeiro, Moimenta/Portugal Liga dos Combatentes, Lissabon Museu Militär, Lissabon Ministerio da Defesa Nacional, Lissabon, Arquivo Historico Militar, Lissabon Anicento Henrique Afonso, Lissabon

 


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